Nikolaus Schapfl

Einführung zum Werk

Nikolaus Schapfl - Stimmungen
 

 Über die Oper "Caravaggio"

und die "Caravaggio_Elemente"

  Caravaggio-Elemente Pressemitteilung Mai 2011 als doc als pdf    
   
           
  Komponieren ist wie Diamanten schürfen
   
  Zur Person Michelangelo Merisi da Caravaggio (1573 – 1610)
     
 

Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, war ein Maler um 1600 zwischen Renaissance und Barock, bzw. des Manierismus, als dessen Überwinder er gilt. Er brachte eine völlig neue Sicht von Licht und Schatten, Hell und Dunkel in die Malerei, das Chiaroscuro. Obwohl kurz nach seinem Tod für lange Zeit vergessen, ist sein Einfluß in den Werken von Rubens, Rembrandt und vieler großer Nachfolger erkennbar. Selbst ein jähzorniger Charakter – obwohl seine Zeit allgemein von Gewaltbereitschaft, Rache und Selbstjustiz gekennzeichnet war –, sind fast die einzigen schriftlichen Zeugnisse über ihn Prozessakten. Im Duell tötete er einen Konkurrenten, musste aus Rom fliehen, gelangte nach Malta, wo er als Ritter in den Malteserorden aufgenommen wurde. Bald jedoch wurde er auch dort verhaftet, konnte aber fliehen.

Helldunkel bezieht sich nicht nur auf seine Malerei, sondern auch auf sein Leben. Mit seiner Vorliebe für Modelle aus den unteren Schichten, unberechenbar und am Rande der sozialen Eingliederung, ist Caravaggio zu einem Prototyp der modernen Künstlerexistenz geworden, in der die Abgründe einer ungebremsten Vorwärtsbewegung zum künstlerischen Ausdruck aufscheinen.

Inspiration und Gewalt, wie auch das tremendum et fascinosum – das Erschütternde und Faszinierende - Symbol der Wahrheitserfahrung seiner Epoche, lagen in seinem Leben dicht beieinander. Hinterließ er Worte, die entschlüsseln helfen, wie durchdacht seine Sicht auf Malerei und Gesellschaft war? Lassen sich solche Aussagen in den Unmengen symbolischer Bedeutungen ausmachen, von denen die Gemälde seiner Zeit und die seinigen nur so strotzen?
Ob Caravaggios Gewalttätigkeit ein Aufschrei gegen ein Bollwerk der Unverständnis war oder Folge traumatischer Kindheitserlebnisse? Das Faszinierende bleibt seine Offenheit für - ja seine Verliebtheit in - das Licht.
Inhalt für Geschichtsschreibung wurde damals viel generiert, Kunstgeschichte selbst gab es nicht. Über sie hätte Caravaggio wohl verächtlich geschmunzelt, die Hand am Knauf seines Degens. Es war ihm unmöglich, nicht provokant zu sein. Damit erfüllte er einen weiteren Stereotyp des modernen Künstlers. "Das Lebend'ge will ich preisen, das nach Flammentod sich sehnet."1

     
 

Caravaggios Außergewöhnlichkeit besteht nicht in seinem Hang zur Gewalt, sondern in der Unmittelbarkeit der dargestellten Szenen, die auch seine Zeitgenossen in ihren Bann zog, in den Blicken, den im Ablauf eingefangenen Bewegungen, die den Betrachter gefrieren lassen, der direkt Zeuge der dramatischen Essenz einer Situation wird, sei es beim Martyrium des hl. Matthäus, dem vielsagenden Blick des kranken Bacchus oder dem unbemerkten Betrug der Falschspieler.

Berstend vor Emotionen, aufbrechend in leuchtende Klarheit, Dionysos und Apoll in Personalunion, das war Caravaggio, ein Inbegriff des begabten Schwer-Erziehbaren. Seine Bitte um Amnestie an das damalige juristische Haupt des Kirchenstaates, den Papst, nachdem er in einem Duell Ranuccio Tommassoni getötet hatte, richtete er in Form eines Gemäldes: David mit dem Haupt des Goliath. Dem Antlitz des Enthaupteten verlieh er seine Züge, verzweifelt und geschlagen. Auf dem Schwert des Siegers stehen die Worte: Humilitas occidit superbiam – „Die Demut überwindet den Hochmut.“ Vielleicht auch als Fragestellung zu ehrlicher und geheuchelter Demut in einem Künstlerleben, das in ständiger Spannung zwischen künstlerischem Credo und Anpassung lebt? Daß ihn die Begnadigung, die einflußreiche römische Gönner beim Papst für ihn erlangten, nicht mehr erreichte – sie traf an dem Tag ein, an dem er tot am Strand aufgefunden wurde - schloß den Kreis des Sagenhaften: "Und zuletzt, des Lichts begierig, bist du, Schmetterling, verbrannt."1

     
  Zur Musik  
     
 

Das Helldunkel erscheint in dieser vorliegenden Komposition in vielerlei Gestalt: Das Licht, sowohl in geteilten Violinen mit flirrenden, interferierenden Rhythmen, als auch im ruhigen Fluß einer aufsteigenden, dynamisch anwachsenden Melodie.

Chiaroscuro wird in weitere Gegensätze transponiert: Der Komponist hört hinein in die „Schönheit“ des Clusters und kontrapunktiert diesen mit Melodie. „Das Erfinden von Melodie ist das größte Mysterium des Menschen“ (Claude Levi-Strauss ). Die Musik entschlüsselt Licht und Dunkelheit in den Charakteren, in Bagliones Intrigen, in Caravaggios Selbstzerstörung, welche er reflektiert. Tänzerische Freude und Klangfülle kontrastieren mit Sanftheit Lenas, der Geliebten des Malers. Scharfe, energiegeladene Rhythmen korrespondieren mit Caravaggios Unberechenbarkeit und dem Abgründigen, dem Bedrohlichen. Die Lehrlinge in d'Arpinos Werkstatt, die Menschen der unteren Schichten auf dem Piazza Navona, die Kunstexperten, die Malteserritter, bilden den Chor, der an anderer Stelle auch kommentierend aus der Höhe erklingt, in gemischter Besetzung oder als Anlehnung an die Madrigalkunst eines anderen, aber vorsätzlichen Mörders dieser Epoche: Gesualdos.

     
  Nikolaus Schapfl über den Ursprung der Idee zu dieser Oper
     
 

Ich fand dieses Sujet für meine zweite Oper in der Villa Borghese in Rom, eigentlich würde ich lieber sagen: Das Thema fand mich. Es war schwer, nach dem Weltstoff des Kleinen Prinzen von Saint-Exupéry überhaupt an ein Thema zu denken. Aber angesichts dieser Gemälde durchfuhr es mich wie ein elektrischer Schlag. Als ich gleichzeitig die Geschichte dieses - wie sich der Kunstführer ausdrückte - "Unverstandenen" hörte, entlud sich Caravaggios Leben in Klängen in meinem inneren Ohr, lief die Handlung wie auf einer Bühne vor meinem inneren Auge ab. Matthew Faulk (Oxford), der selbst Musiker und Musikologe ist, dessen großer Traum nach eigenen Aussagen es immer war, ein Libretto zu schreiben und der u.a. für Hollywood und die BBC Drehbücher liefert, (Jason and the Argonauts, NBC; Vanity Fair, Paramount) bekannte sich durch die Schilderung dieser Idee ebenso elektrisiert und herausgefordert und schrieb daraufhin ein Originallibretto in englischer Sprache.

     
  Caravaggio_Elemente für Streichorchester am 15. Mai 2011 in München
     
 

Der Dirigent Franz Schottky, für den Nikolaus Schapfl dieses Vorwerk der Oper „Caravaggio“ erarbeitet hat, äußerte zur Ouvertüre: "Kantabilität, die von rhythmischen Expressionen durchbrochen wird." Es werden Grundelemente aus Melodien und Harmonik der Oper, sowie der Instrumentierung für Licht, Dunkel etc. angewandt.

Die Titel der fünf einzelnen Sätze lauten:
1. Ouverture  2. Caravaggios Arie "Licht"  3. In der Werkstatt von Cavaliere d'Arpino
4. Lena's Arie  "If I were Queen of Piazza Navona"  5. Caravaggio

Uraufführung am 15. Mai, 11:00 und 19:00 Uhr in der Allerheiligenhofkirche der Münchner Residenz durch die Kammerphilharmonie dacapo München unter der Leitung von Franz Schottky.

     
 
1 aus Selige Sehnsucht von J.W. von Goethe  
     

 

Werkstattblog: "Wie es zur Idee für eine Oper "Caravaggio" kam
   
  Text © Nikolaus Schapfl, April 2011  
   
  musik@nikolausschapfl.com
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